Zu viel (ungenutzte) heiße Luft um Datenzentren!
“CleanTech“, in Teilen auch „GreenTech“, beschreibt grundsätzlich, dass neue Technologien Unternehmensvorgänge umweltfreundlicher und ressourcenschonender machen können. So weit, so vage.
Weil es keine klare Begriffsdefinition gibt, wehen die geflügelten „Cleans“ und „Greens“ inhaltsleer quer durch die Branchen, auch durch die immer energieintensivere IT Branche. Im Folgenden wird das Potential aufgezeigt, das in hocheffizienten Technologien bzw. Erneuerbaren Energien zur Klimatisierung von Gebäuden mit Datenzentren schlummert. Durch multivalente Systeme, die Abwärme nutzen, freies Kühlen ermöglichen und integriert geregelt sind, lassen sich die Betriebskosten deutlich senken. Betreiber können sogar neue Geschäftsfelder entwickeln, indem sie überschüssige Wärme verkaufen.
Noch spielen hocheffiziente und/oder Erneuerbare Energien nur eine Statistenrolle in Datenzentren. Nicht einmal 5 Prozent der Einrichtungen nutzen solche Technologien. Man kann also noch zu den Ersten gehören, die „grün“, „IT“ und „Effizienzsteigerung“ in einem Satz verwenden.
Das verschwendete Potential für Wärme aus Datenzentren
Zur Wiederholung: Bis zum Jahr 2050 möchte die deutsche Bundesregierung 80 bis 95 Prozent der Treibhausgasemissionen reduzieren. 2020 sollen es bereits 40 Prozent Emissionen weniger sein. Der Referenzpunkt ist jeweils das Jahr 1990. Zu dieser Zeit waren die größten Klimasünder neben Verkehr und Landwirtschaft die Schwer-, Auto- und Chemieindustrie. Das sollte man im Hinterkopf behalten, denn seit damals haben neue Spieler den Platz betreten: Amazon wurde 1994 gegründet, Google startete 1997, Alibaba 1999, Baidu ein Jahr später, Facebook folgte 2004 und Youtube ging 2005 ans Netz. Warum dies wichtig ist? Sie führen erstens die junge Branche der Datenunternehmen an, gehören zweitens zu den wertvollsten Unternehmen der Welt und drittens ist ihr Energiehunger gewaltig. Dazu kommen neue, datengetriebene Energiefresser wie Bitcoin – 2019 verschlang das Schürfen der digitalen Währung bereits mehr Strom als Portugal.
Ein gewichtiger Anteil des Energiebedarfs der Datenzentren betrifft ihre Klimatisierung: CPUs, GPUs, Switches und Festplatten stellen unter Last einerseits sehr viel Wärmeenergie bereit, arbeiten andererseits jedoch am Effizientesten in gleichbleibend trockener und kühler Atmosphäre. Die Wärme muss also raus aus den Räumlichkeiten der Rechner. Da Energie weder vernichtet noch erzeugt, sondern nur verschoben werden kann, bugsieren die meisten Datenzentren die Wärmenergie der Komponenten lediglich aus dem Gebäude. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Doch muss die Wärme wirklich weg? Warum „übersetzen“ wir die bereitgestellte Wärmeenergie nicht einfach in Heizenergie? Unser Wohn- oder Geschäftsgebäude will beheizt, unser Brauchwasser erwärmt werden. Den benachbarten Gebäuden geht es genauso – ob in privatem, gewerblichem oder kommunalem Besitz. Zum Vergleich: Bereits ein mittelgroßes Datenzentrum (1 MW IT Auslastung) stellt 3.700 MWh Wärmenergie pro Jahr zur Verfügung. Dies entspricht dem jährlichen Wärmeenergiebedarf von 165 Einfamilienhäusern. Der RZ-Betreiber muss die Wärme für eine weitere Nutzung jedoch zunächst zurückgewinnen.
Wärmenutzung durch multivalente Energiebereitstellung
Wer sein Datenzentrum günstiger kühlen und/oder sein gesamtes Gebäude effizienter klimatisieren möchte, setzt auf die bedarfsgerechte Nutzung unterschiedlicher Energiequellen. Das prinzipielle Stichwort lautet multivalente Energiebereitstellung. Die Anlagentechnik, um unterschiedliche Energiequellen zu nutzen, ist vielfältig. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf Wärmepumpensysteme. Die speziellen Anforderungen von Datenzentren erfüllen diese Systeme am besten.
Multitalent Wärmepumpe
Vereinfacht gesagt verdichtet eine Wärmepumpe mit einem vergleichsweise geringen Energieeinsatz (elektrischer Strom) ein Medium, um über einen Wärmetauscher Wärme bereitzustellen. Die Wärmepumpe entspannt dasselbe Medium, um Kälte zu liefern. Als Medium werden je nach Anwendung künstliche und natürliche Kältemittel eingesetzt.
Spezialisierte Wärmepumpenanbieter integrieren alle notwendigen hydraulischen Komponenten ab Werk in die Anlagentechnik, damit die Wärmepumpe gleichzeitig kühlen, heizen (auch hohe Wassertemperaturen bis 60°C zur Trinkwasserbereitung), Abwärme auskoppeln und gegebenenfalls Geothermie nutzen kann. So wird aus einer einfachen Heizungs- oder Kühlanlage ein mehrwertiges, multivalentes System.
Freies Kühlen für lau?
Großes Einsparpotential birgt das Prinzip der freien Kühlung. Dabei kühlt die Außenluft das Datenzentrum direkt oder indirekt. Der große Vorteil: Die Wärmepumpe bzw. der Kaltwassersatz muss nur dann Kälte ins Datenzentrum liefern, wenn die Außentemperatur über einen bestimmten Wert (z.B. 20° C) steigt – darunter entfallen keine Stromkosten zur Kälteerzeugung, nur die Ventilatoren und Pumpen werden genutzt, um Luft bzw. das Wasser-Glykol-Gemisch zu bewegen. Grundsätzlich gilt bei der freien Kühlung: Eine Anlage zur mechanischen Kühlung muss einspringen, sobald die Außentemperatur über einen bestimmten Wert, zum Beispiel 20°C, steigt.
Direkte freie Kühlung
Das Prinzip der direkten freien Kühlung folgt dem Bild „Fenster auf und die kalte Außenluft durch den Serverraum strömen lassen“. Darum kümmert sich eine Lüftungsanlage bzw. Ventilatoren. Der Wirkungsgrad der direkten freien Kühlung liegt bei 90% und mehr, das Potential zur Senkung der Energiekosten ist dementsprechend hoch.
Ein Allheilmittel ist die direkte Kühlung jedoch nicht. Die Qualität der Außenluft begrenzt nämlich ihre Einsatzmöglichkeiten: Ist die Luft zu kalt, zu feucht, zu trocken oder zu sehr mit Feinstaub oder anderen Stoffen (z.B. Salz) belastet, muss die Luft vor Eintritt in das Datenzentrum behandelt werden. Solche Investitions- und Betriebskosten für Filteranlagen, Ent- oder Befeuchter sowie die Wartung der zusätzlichen Komponenten verlängern die Amortisation der Anlage.
Nur wer die Luftqualität im Vorfeld prüft und die Aufbereitungskosten in eine Amortisationsrechnung einbezieht, wird entscheiden können, ob sich direkte Kühlung lohnt oder nicht.
Indirekte freie Kühlung
Bei der indirekten Kühlung wird die Außenluft nicht direkt in den Serverraum geleitet, sondern sie überträgt einen Teil ihrer Kälteenergie über einen Wärmetauscher an die Luft im Serverraum. Dadurch ist die Kühlmethode nicht von der Außenluftqualität abhängig.
Handelt es sich um einen Luft-Luft-Wärmetauscher, spricht man von einstufiger indirekter freier Kühlung. Transportiert ein Medium (oft: Wasser-Glykol-Gemisch), die Kälte der Außenluft nach drinnen und die Abwärme nach draußen, spricht man von zweistufiger indirekter freier Kühlung.
Die beiden notwendigen Wärmetauscher innen und außen führen zu einem Verlust an Effizienz. Experten gehen von einem Wirkungsgrad von 70% aus (gegenüber 90% bei direkter freier Kühlung).
Einstufige Varianten benötigen gegenüber zweistufigen Lösungen vier- bis sechsmal mehr Platz. Sie bewegen vergleichsweise große Luftmengen. Zudem sind oft zusätzliche Öffnungen für Zu- und Abluft nötig, die Statik und Sicherheit eines Gebäudes mitunter beeinflussen.
Zweistufige indirekte freie Kühlung mit DX Klimagerät und Trockenkühler
Hier steht ein Klimaschrank mit Freikühlwärmetauscher im Rechenzentrum. Der Trockenkühler steht außerhalb des Gebäudes und ist per Kaltwasserleitung mit dem Klimagerät verbunden. Ist die Außenluft kälter als die Rücklufttemperatur, stellt dieses System Kälte im Mischbetrieb aus mechanischer und freier Kühlung bereit. Ab welchem Temperaturunterschied die freie Kühlung einsetzt, hängt von der Dimensionierung des Trockenkühlers ab.
Zweistufige indirekte freie Kühlung mit wassergekühltem Klimagerät und Kaltwassersatz
Hier ist der Freikühlwärmetauscher in den Kaltwassersatz integriert. Wenn nun die Außenlufttemperatur unter die Kaltwassertemperatur sinkt, schaltet der Kaltwassersatz die Freikühlung hinzu (Mischbetrieb). 100% freies Kühlen findet dann statt, wenn die Außenlufttemperatur niedrig genug ist, sodass der Freikühler ausreichend kaltes Wasser für das Klimagerät bereitstellen kann.
Adiabate Unterstützung
Adiabatik (auch: Verdunstungskühlung) kann die Effizienz der freien Kühlung weiter erhöhen. Es beschreibt den thermodynamischen Vorgang, den wir vom Schwitzen kennen: Auf unserer Haut bilden sich Schweißtropfen, die verdampfen und von der Umgebungsluft absorbiert werden. Dadurch kühlt die Luft ab – und wir spüren eine angenehme Frische. Nach dem gleichen Prinzip wird bei adiabatischer Unterstützung der freien Kühlung, die (noch zu warme) Außenumgebungsluft gekühlt, indem sie mit Wasser besprüht, befeuchtet oder an befeuchteten Pads entlanggeleitet wird. Die gekühlte Luft gelangt anschließend ins Rechenzentrum (direkte freie Kühlung) oder zuvor in den Wärmetauscher (indirekte Freie Kühlung).
Bei jeder adiabaten Unterstützung gilt es zu beachten:
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Luft kann nur begrenzt Wasser aufnehmen: In Regionen mit hoher durchschnittlicher Luftfeuchtigkeit stößt die adiabatische Kühlung an ihre Grenzen.
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Luft kann nur bis zu einem bestimmten Feuchtigkeitsgrad in Rechenzentren geleitet werden, ohne eine Gefahr für die Rechner darzustellen. Deshalb kann adiabatische Unterstützung nur bedingt mit direkter freier Kühlung kombiniert werden.
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Besonders effektiv in trockenen Regionen (aber relativ hoher Wasserverbrauch)
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Hygieneanforderungen an das genutzte Wasser müssen erfüllt werden (z.B. Legionellenprüfung)
Ein Gebäudenutzungskonzept für multivalente Energiebereitstellung
Ein Konzept, das der haustechnischen Planung vorgibt, wann wo welche Wärme bzw. Kälteleistung benötigt wird, ist aus mehreren Gründen nicht nur wertvoll, sondern notwendig, um ein Gebäude mit Datenzentrum integriert, nachhaltig, und günstig zu klimatisieren.
Verschiedene Lasten, Drücke, Vorläufe und Rückläufe
Grundsätzlich stellen die verschiedenen Teile eines Gebäudes unterschiedliche Anforderungen an eine Klimatisierungslösung: Büroräume benötigen Kühlung bzw. Heizung, Datenzentren nur Kühlung. Die unterschiedlichen Nutzungsprofile hängen von den saisonalen Witterungsbedingungen ab. Beispiel Übergangsmonate: Während die sonnenzugewandten Büros Kühlung benötigen, müssen die Büros im Schatten bereits beheizt werden, um ein vergleichbar komfortables Klima in den jeweiligen Räumen beizubehalten.
Es gibt nicht nur externe, tages- und jahreszeitabhängige Lasten. Je nach Tageszeit variieren auch die Anforderungen der Nutzer des Gebäudes: Morgens führt der Weg der meisten Büroangestellten zu ihrem E-Mail-Postfach. Für das Lastmanagement bedeutet dies: Der Emailserver hat erhöhten Kühlbedarf, gleichzeitig muss das Speichersystem die abgeführte Abwärme des Emailservers aufnehmen können. Weitere Beispiele für Auslastungsszenarien sind Datensicherungen, Betriebsferien oder Veranstaltungen.
Nicht nur die Auslastung der Klimatisierungslösung sollte vorausschauend geplant werden, auch die verschiedenen Anforderungen der Verbraucher hinsichtlich Druck und Temperatur sind wichtig: Fuß-, Wand- und Deckenheizungen werden je nach Dämmung des Gebäudes mit 25-35° C warmem Wasser versorgt. Heizkörper benötigen deutlich höhere Vorlauftemperaturen (60-70° C). Soll auch Trinkwasser zentral bereitet werden, muss es aus Hygienegründen (z.B. Legionellen) mindestens auf 60°C erwärmt werden.
Regle, Speichere, Überwache!
Im Idealfall überwacht und bedient ein zentrales Regelungssystem den Wärme- bzw. Kältebedarf der Gebäude(teile). Die Regelung kennt die tageszeit-, witterungs- und nutzerabhängigen Bedürfnisse und speist bedarfsgerecht Wärme bzw. Kälte in die verschiedenen Heiz- und Kühlkreise sowie in den Speicher. Zudem muss die Regelung eine Diagnose des Ist-Zustandes erstellen können, um Unregelmäßigkeiten und Störungen möglichst schnell zu erkennen und zu melden.
Sind bereits Komponenten wie Hydraulikgruppen und Pumpen in eine Wärmepumpe integriert, kann man davon ausgehen, dass deren Regelung und Kommunikation bereits erprobt und abgestimmt ist. Programmierbare Ladeschaltungen ermöglichen eine effiziente Befüllung der Warm- und Kaltwasserspeicher. Besteht bereits ein Gebäudeleitsystem, ist eine Schnittstelle erforderlich, die die Kommunikation zwischen bestehendem und dem zu installierenden System herstellt. Gängige Schnittstellen sind modBUS TCP, BACnet oder ProfiBUS DP.
Energiespeicher als Lastausgleich
Je mehr Energiequellen, Lastspitzen und -täler in die Planung fließen, desto klarer werden die Anforderungen an ein zentrales Speichersystem. Es muss Kalt- und Warmwasser aufnehmen können, sollte ausreichend dimensioniert sein.
Datenzentren –Wärmequellen für heute und morgen
Das Potential, die Technik und in Teilen der politische Willen sind vorhanden, um die große Menge an Abwärme aus Datenzentren zu nutzen. Würden wir diese Abwärme flächendeckend für die Beheizung von Wohngebäuden nutzen, sänke der Heizölbedarf für Wohngebäude um beeindruckende 8,8 Prozent. Von realen Einsparungen in dieser Größenordnung träumen wir (noch).
Einzelne Leuchttürme zeigen das Machbare: Systemanbieter erarbeiten mit potentiellen Abwärme-Lieferanten und einem Netzwerk aus fähigen Planern fertige Konzepte. Das Datenzentrum der TU Braunschweig versorgt schon ein ganzes benachbartes Quartier mit Wärme. Neue Anwendungsfälle, wie vertical farming in dicht bebauten Ballungsräumen, eröffnen weitere Geschäftsmöglichkeiten. Es ist an der Zeit aus Datenzentren viel mehr (Wärme) herauszuholen.