Auf der Suche nach den Farben der Moderne

100 Jahre BAUHAUS

2019 feiert das „Bauhaus“, die bedeutendste Schule für Architektur, Design und Kunst im 20. Jahrhundert, sein 100-jähriges Bestehen. Anlass genug, mit ausgewählten Beispielen aus der umfangreichen Liste an Bauten – insbesondere zum Thema Farbe – zurückzublicken. 

Das Bauhaus bestand nur 14 Jahre lang – zunächst als „Staatliches Bauhaus“ in Weimar, dann als „Hochschule für Gestaltung“ in Dessau und schließlich als private Lehranstalt in Berlin – seine Ideen wirken jedoch bis heute. Von Walter Gropius 1919 gegründet, war das Bauhaus eine interdisziplinäre, internationale Ideenwerkstatt und ein lebendiges Experimentierfeld für freie und angewandte Kunst, Gestaltung, Architektur und Pädagogik. Innerhalb weniger Jahren wurde es zum Anziehungspunkt für junge Menschen aus der ganzen Welt, die eine pädagogisch neue und experimentelle Weise im Umgang mit Kunst, Architektur, Handwerk und Material erlebten. Die hervorragende internationale Vernetzung der Lehrenden, allen voran Walter Gropius, führte zu einem regen Austausch und einem international geführten Diskurs über das „Neue Bauen“. Dabei bildete die Reihe der Bauhausbücher eine verbindende Plattform.

© KEIMFARBEN

Schon ein Jahr nach der Übersiedlung des Bauhauses nach Dessau wurde 1926 das von der Stadt Dessau finanzierte und nach Plänen von Walter Gropius errichtete neue Hochschulgebäude eröffnet. Hier und bei den zeitgleich entstandenen „Meisterhäusern“ konnte Gropius seine Vorstellung vom „Neuen Bauen“ prototypisch realisieren. Beim Bau der Meisterhäuser – Bauten für die Lehrenden (Meister) am Bauhaus, deren Familien und Freunde – arbeitete Gropius mit dem Farbgestalter Alfred Arndt, einem „Ur-Bauhäusler der ersten Stunde“ (Gropius), zusammen. Gemeinsames Ziel war es, Farbe nicht als rein dekoratives Element einzusetzen, sondern die räumliche Wirkung der Kuben durch die Farbwahl zu unterstützen. Wie zur Zeit der „Klassischen Moderne“ üblich, waren die Häuser verputzte Mauerwerksbauten mit farbigen Anstrichen – die damals gängige Schwarz-Weiß-Fotografie suggerierte den irrtümlichen Eindruck einer „Weißen Moderne“. War das Bauhausgebäude selbst tatsächlich im Wesentlichen in Weiß und Grau gehalten, so experimentierten die Bauhauslehrer an und in ihren Meisterhäusern gerne und oft mit Bunttönen. Die Liste dieser Lehrer liest sich wie ein „Who is Who“ der Moderne, zu ihnen gehörten: László Moholy-Nagy und Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee mit ihren Familien. Später lebten hier u. a. Hannes Meyer, Ludwig Mies van der Rohe, Josef Albers, Hinnerk Scheper und Alfred Arndt.

Bei der Sanierung der Gebäude mit Farben von KEIM konnte man auf Originalbefunde zurückgreifen. Manchmal führte dies zu schwierigen Entscheidungen, da die Künstler mit ihren Anstrichen teilweise sehr kreativ und experimentell immer neue Farbkompositionen erprobt hatten.

Ein besonderer Sanierungsfall war das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wohnhaus von Gropius selbst. Zu DDR-Zeiten hatte man auf dem Fundament ein Siedlungshaus mit Satteldach errichtet, das später wieder abgerissen wurde. Im Jahr 2010 sollte ein internationaler Architektenwettbewerb klären, wie eine Rekonstruktion erfolgen könnte. Man entschied sich für den Entwurf von Bruno Fioretti Marquez Architekten aus Berlin und damit für eine „Architektur der Unschärfe“, die den historisch exakten Wiederaufbau bewusst vermeidet und eine eindeutige Wahrnehmung zwischen Bestand und Neuinterpretation ermöglicht. Die Architekten entwickelten Kubaturen analog zu den ursprünglichen Gebäuden, allerdings wurden die Fenster außen bündig in die Fassaden eingesetzt und mit matt beschichteten Glasscheiben versehen, die sowohl die Belichtung gewährleisten als auch Ein- und Ausblicke verhindern. Die Ausführung in Sichtbeton mit einer egalisierenden Lasur ist eine weitere Maßnahme zur Abstraktion und verstärkt den skulpturalen Charakter der Bauten. KEIM Concretal-Lasur war hier das Mittel der Wahl, um die Oberflächen innen wie außen optisch zu vereinheitlichen und zu schützen.

© KEIMFARBEN

Noch vor den Bauhaus-Bauten in Dessau entstand 1924 in Jena das Haus W33 für Felix und Anna Auerbach, ebenfalls geplant von Walter Gropius geplant unter Mitarbeit von Adolf Meyer und Alfred Arndt. Ein frühes Beispiel nicht nur für das von Gropius propagierte „Baukastensystem”, sondern auch für ein durchgängiges Farbkonzept. Die lebhafte Farbgestaltung der Innenräume durch Alfred Arndt ist an der von außen in klassischem Weiß gehaltenen Villa nicht abzulesen. Ein echter Glücksfall war der Erwerb des Gebäudes durch das Wissenschaftlerehepaar Barbara Happe und Martin S. Fischer im Jahr 1994. Die neuen Eigentümer wussten um dessen Einzigartigkeit und stellten sich der verantwortungsvollen und mühsamen Aufgabe, es originalgetreu zu sanieren. Nicht weniger als 37 Farbbefunde – entsprechend den Entwurfszeichnungen von Alfred Arndt – konnten gesichert werden, und waren Grundlage für die beeindruckende Restaurierung mit Farben aus dem Hause KEIM: zartrot, taubengrau, pastellblau, helltürkis und olivgrün, um nur einige Farben zu nennen, die nicht nur an Raumkanten, sondern auch innerhalb der Flächen wechseln.

Beim Bau der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, eines der bedeutendsten Zeugnisse des Neuen Bauens in Deutschland, waren viele am Bauhaus oder in seinem Umfeld tätige Akteure beteiligt: die Bauhauslehrer Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Ludwig Hilbersheimer, außerdem Peter Behrens, Hans Pölzig, Mart Stam, J.J.P. Oud,  Hans Scharoun, Bruno und Max Taut, Le Corbusier mit Pierre Jeanneret und andere mehr.
Als im Jahr 2016/17 Bauten aus dem Werk Le Corbusiers als Weltkulturerbe ausgezeichnet wurden, waren darunter auch die Gebäude in der Weißenhofsiedlung. Die eine Hälfte des umfassend instand gesetzten Doppelhauses ist heute innen in Weiß gehalten und beherbergt das Weißenhofmuseum, die andere wurde in ihrer ursprünglichen Farbigkeit originalgetreu mit Farben von KEIM wiederhergestellt.

Ein Rückblick in Farbe ist nicht vollständig ohne Bruno Taut – dessen Haus in der Weißenhofsiedlung wie zwölf weitere im Krieg zerstört und nicht mehr in alter Form aufgebaut wurde. Taut schuf parallel zur Zeit des Bauhauses einige bis heute vorbildliche Wohnsiedlungen und prägte damit maßgeblich den Berliner Siedlungsbau der Moderne. Diese Bauten, in Zusammenarbeit mit Franz Hofmann und seinem jüngeren Bruder Max entstanden, waren in Form und Konstruktionsweise weniger experimentell als die der erklärten Bauhaus-Avantgardisten. Taut strebte weder nach künstlerischer Selbstverwirklichung, noch wollte er einfach nur Wohnraum schaffen. Vielmehr verfolgte er ein soziales Reformprojekt: Licht, Luft und Sonne für alle anstatt trister, oft dunkler und feuchter Mietskasernen aus Gründerzeittagen. Besonders beeindrucken die lebhaften Farbkonzepte, z.B. in den Siedlungen „Onkel Toms Hütte“ in Berlin-Zehlendorf und in der Hufeisensiedlung in Berlin-Britz. Wie kein anderer Architekt seiner Zeit nutzte Taut Farbe als identitätsstiftendes und gestaltendes Medium: “Da alles seine Farbe hat, muss auch alles, was Menschen tun, farbig gestaltet sein”, befand er.

Der Farbfächer KEIM AVANTGARDE orientiert sich an der polychromen Farbgebung der 1920er-Jahre, an Taut ebenso wie an den Vertretern des farbigen Bauens am Dessauer Bauhaus.

Alle Protagonisten der Architektur der Moderne waren auf der Suche – nach dem Neuen Menschen, dem Neuen Bauen, dem Neuen Wohnen – und das verband sie. In ihrem offenen Umgang mit Methoden und Ideen wollten sie nichts weniger, als die Welt neu denken. Ihre Bauten zeugen von Kreativität, Neugier für neue Konstruktionen und Produktionsweisen, Mut zur Abstraktion sowie dem klaren und zukunftsweisenden Bekenntnis zu einer umfassenden Gestaltung, auch mit Farbe.

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© Susanne Mandl
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